Brühls Versuche, eine Anstellung Webers bei den Berliner Königlichen Schauspielen durchzusetzen

Seit Webers erstem Berlin-Aufenthalt und der dortigen Erstaufführung der Silvana 1812 hatte Brühl den Werdegang des Musikers aufmerksam beobachtet und nach seiner Ernennung zum Generalintendanten der Berliner Königlichen Schauspiele am 10. Dezember 1814 auch versucht, ihn in die preußische Residenzstadt zu verpflichten. Ein erstes diesbezügliches offizielles Dokument liegt vom 26. Januar 1815 vor; dem war (bereits vor Brühls Berufung) ein privater Briefwechsel mit Weber im Herbst 1814 vorausgegangen, in dem dieser am 8. Oktober sein generelles Interesse an einer Berliner Anstellung signalisierte. Nachdem Weber zu Brühls Vorgänger Iffland ein eher gespanntes Verhältnis hatte1, war er froh, in Brühl einen Förderer zu finden, der ihn sowohl persönlich als auch als Künstler schätzte. Brühl wiederum war, anders als sein Vorgänger, kein “Insider”; er galt zwar als theaterbegeistert, kam aber nicht selbst von der Bühne. Sein Steckenpferd war die Reform des Kostümwesens2, daneben musste er, wie er Weber am 17. September 1815 schrieb, nach kompetenten und loyalen Mitstreitern suchen: nach „Männer[n] von Ihrem Geiste und Kunstsinn, die meinen Eifer und guten Willen zu erkennen und zu schätzen wißen, die den alten Schlendrian haßen und Liebe zur Kunst genug“ haben. Er fand solche Partner hinsichtlich der Regie in Wolff, hinsichtlich des Bühnenbilds in Schinkel und Gropius. Weber war eine entsprechende Position auf musikalischem Sektor zugedacht, wie mehrere gezielte Kompositionsaufträge Brühls in den folgenden Jahren (u. a. zu Schauspielmusiken und Einlagearien) bezeugen, und er nahm diese Offerte gerne an (Brief vom 7. Oktober 1815).

Brühl argumentierte gegenüber den vorgesetzten Stellen damit, dass aufgrund der umfangreichen Verpflichtungen der Königlichen Bühnen mit zwei ständigen Spielorten (Hofoper, Nationaltheater) und mehreren Nebenbühnen (Charlottenburg, Potsdam) die Kapellmeister B. A. Weber und Gürrlich sowie der nachgeordnete Musikdirektor Seidel überlastet wären und das Engagement eines zusätzlichen (dritten) Kapellmeisters wünschenswert sei. Zwar konnte er eine Anstellung des vom König favorisierten Spontini (vorerst noch) verhindern, scheiterte jedoch mit seinem eigenen Kandidaten. Statt dessen erhielt entgegen Brühls Votum3 Bernhard Romberg die neue Stelle, möglicherweise aufgrund einer Empfehlung des Fürsten Radziwiłł4.

Nach einer Äußerung Rederns soll ein wesentlicher Grund für die Ablehnung Webers der Umstand gewesen sein, dass dieser dem preußischen König als Komponist der Chöre nach Körners Texten aus Leyer und Schwert suspekt war5. Auch eine ersatzweise Ernennung zum Kammer-Compositeur bzw. Titular-Kapellmeister, die Brühl nachfolgend quasi als Entschädigung beantragte, kam nicht zustande (Brief an Caroline). Sehr enttäuscht reagierte Brühl Ende 1816 auf Webers Zusage bezüglich seiner Anstellung in Dresden (vgl. Briefe vom 29. und 30. Dezember zwischen Weber und Brühl sowie den Brief an Caroline).

Nach dieser ersten “Niederlage” Brühls machte der Tod Gürrlichs im Sommer 1817 eine Neubesetzung von dessen Stelle notwendig, so dass der Intendant erneut aktiv wurde. Auf eine erste Anfrage Brühls antwortete Weber vorsichtig zustimmend, obgleich Argumente für und gegen jeden der beiden Anstellungsorte Dresden und Berlin sprachen, wie er im Brief an seine Braut Caroline Brandt auseinandersetzte, so dass er sich wie “der Esel zwischen den Heubündeln” fühlte. Auf Webers Nachfrage nach den Anstellungsmodalitäten übersandte Brühl am 9. Juli 1817 die Dienst-Instruktionen zur Ansicht; er reagierte auch auf Webers Nachfragen bezüglich Urlaub und der Vergütung von Auftragskompositionen für das Theater äußerst entgegenkommend und versuchte, dessen Bedingungen gegenüber Staatskanzler Hardenberg durchzusetzen (Brief vom 20. Juli 1817). Tatsächlich lautete die erste Reaktion des Königs positiv, doch dann vereitelte der Brand des Berliner Schauspielhauses am 29. Juli 1817 eine dortige Neuanstellung (Ablehnungsbescheid), da bis zur Neueröffnung des Hauses angesichts der reduzierten Dienste keine personelle Aufstockung nötig war. Aber auch nach diesem Rückschlag wollte Brühl lt. TB Webers sein Projekt noch nicht aufgeben.

Tatsächlich startete er bereits im Folgejahr einen erneuten (dritten) Versuch6 und begründete gegenüber Hardenberg die Notwendigkeit einer Anstellung Webers mit dem schlechten Gesundheitszustand B. A. Webers und der daraus resultierenden Überlastung Rombergs. Zugleich wies er darauf hin, dass der Verlust Carl Maria von Webers für Berlin “sehr empfindlich wäre, da ohne Uebertreibung seines gleichen in Deutschland nicht wieder zu finden ist.” (Brühl an Hardenberg). Brühl wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass nach einem Paris-Besuch des Königs 1817 die Engagementsgespräche mit Spontini wiederaufgenommen worden waren; sie wurden hinter dem Rücken des Intendanten vom königlichen Generaladjutanten von Witzleben geführt, wie Brühl berichtete. Hardenberg reagierte daher zunächst ausweichend; erst nach einiger Zeit wurde Brühl darüber in Kenntnis gesetzt, dass Spontini nach Berlin berufen würde und weitreichende Kompetenzen auf dem Opernsektor erhielte (worauf auch der neugeschaffene Titel des Generalmusikdirektors hinweist). Die Überschneidungen der Zuständigkeiten von Generalintendant und Generalmusikdirektor führten in den Folgejahren zu fortlaufenden offenen Streitigkeiten bzw. noch häufiger verdeckt ausgetragenen Intrigen zwischen Brühl und Spontini, die ab 1822 in mehreren Rücktritts- bzw. Versetzungsgesuchen des Intendanten gipfelten und durch eine gewisse Instrumentalisierung Webers durch Brühl auch zu einem zunehmend problematischen Verhältnis der beiden Komponisten untereinander führten.

Einen letzten Vorstoß in Sachen Weber unternahm Brühl offenbar 1821 nach dem Tod B. A. Webers; in der Liste der Kandidaten zur Neubesetzung der Stelle ist Weber an erster Stelle zu finden, da nicht nur „dessen Directions Talent […] hinlänglich bekannt“ sei, sondern ebenso seine auf einem solchen Posten unabdingbaren „Kenntniße der litterarischen Welt seines Vaterlandes“ allgemeine Anerkennung fänden (Brief an Friedrich Wilhelm III.). Eine Neuanstellung unterblieb allerdings auf Anweisung des Königs, wohl auch, weil bereits 1820 nach dem Ausscheiden Rombergs mit G. A. Schneider ein neuer junger und somit leistungsfähiger Musikdirektor ernannt worden war. Statt dessen rückte Musikdirektor Seidel 1822 zum Kapellmeister auf. Doch zu dieser Zeit stand Weber, der zeitgleich, aller Unzufriedenheit in Dresden zum Trotz, eine offerierte Anstellung am Kasseler Hoftheater zurückwies, ohnehin auch für Berlin nicht mehr zur Verfügung. Statt dessen versuchte Brühl im weiteren Verlauf seiner Auseinandersetzungen mit Spontini, Webers musikalische Werke geschickt als nationale Gegenentwürfe zu den Schöpfungen des Berliner Generalmusikdirektors zu positionieren, wodurch er nicht nur die große Schar der Weber-Anhänger in der Stadt an seiner Seite wusste, sondern auch darüber hinaus patriotisch gesinnte Kreise. Amtsmüde kapitulierte Brühl zwar letztlich 1828, doch langfristig ging seine Strategie auf: Spontinis Position in Berlin war, ungeachtet der Begünstigung durch den König, in der allgemeinen Wahrnehmung mehr und mehr untergraben, so dass er nach dem Tod seines Förderers von seiner Funktion entbunden wurde.

Endnotes

  1. 1Vgl. dazu u. a. Themenkommentar Webers Beziehung zu Iffland.
  2. 2Vgl. A110140.
  3. 3Vgl. Webers Brief an Gottfried Weber vom 17. September 1816.
  4. 4Vgl. dazu die Äußerung von Heinrich Graf Vitzthum vom 17. Juli 1816.
  5. 5Vgl. A110081, speziell S. 295.
  6. 6Vgl. Webers Tagebuchnotiz vom 17. Februar 1818.

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